BB_SAVE_RTW.jpg Rainer Rauschenberger

Besuch bei „SAVE 2“ – Das Treffen mit dem Urahn

„SAVE“-Rettungswagen von 1979 trifft RTW BY 2019

Auf den ersten Blick sieht er mit seinem Kofferaufbau und den integrierten Blaulichtern durchaus modern aus.

Aber:

Dieser Rettungswagen ist über 40 Jahre alt.

 

Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Technisches Museum Berlin

Und wir konnten ihm mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Technisches Museum Berlin an einem sonnigen Sommertag einen seiner Ur-Urenkel in Form eines Rettungswagen Modell Bayern 2019 (RTW BY 2019) gegenüber stellen.

„SAVE 2“ ist einer von zwölf Erprobungs-Rettungswagen, die der Sportwagenhersteller Porsche 1979 im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) gebaut hat. Im Jahr 1975, vier Jahre zuvor, wurde Porsche vom BMFT beauftragt, den „Rettungswagen für die 80er Jahre“ zu entwickeln.

Heraus kam das Rettungswagen-Konzept „SAVE“, Abkürzung für „Schnelle Ambulante Vorklinische Erstversorgung“ – und zugleich natürlich ein treffendes Wortspiel mit dem englischen „to save“, also „Retten“. Das „SAVE“-Konzept vereinte zahlreiche innovative Ansätze, beispielsweise eben einen GFK-Kofferaufbau, der abnehmbar war und zur Reduzierung der Stoß- und Schwingungsbelastung im Patientenraum über eine Dreipunkt-Zwischenfederung vom Basisfahrzeug entkoppelt wurde.

Im Gegensatz zu seinen 11 Geschwister-Fahrzeugen, die zwischen September 1979 und Oktober 1980 an verschiedenen Standorten in der ganzen Bundesrepublik jeweils zwei halbjährige Erprobungsphasen absolvierten, war SAVE 2 zur Weiterentwicklung des Konzepts bei Porsche beheimatet und neben diversen Vorstellungen und Events nur für Kurzerprobungen in Ludwigshafen, Kempen und Luxemburg eingesetzt.

Den Ausbau der SAVE-RTW führte Porsche mittels eigens für das Projekt gefertigter Komponenten oder handelsüblicher Teile selbst durch. Lediglich einige wenige Baugruppen, z.B. Tragenlagerungen, wurden von den Aufbauherstellern Binz in Lorch und Miesen zugekauft. Die Trägerfahrzeuge von Mercedes-Benz und Volkswagen wurden dem BMFT und Porsche von den jeweiligen Herstellern nur zur Nutzung überlassen - und blieben sogar bis zum Ende des SAVE-Projektes in deren Eigentum.

Die Ausstattung von SAVE 2 weicht von den Fahrzeugen der Erprobungsphase in verschiedenen Punkten ab, so wurde unter anderem der kopfseitige Stehstuhl gegen einen platzsparend ausziehbaren Trennwandsitz ersetzt - und eine zusätzliche nach oben gerichtete gelbe Blitzleuchte auf dem Fahrerhaus sorgt für bessere Erkennbarkeit des SAVE vom Hubschrauber aus. Der sonst in den SAVE-RTW eingebaute klappbare Notsitzplatz sowie die Aufnahme für eine zweite Krankentrage an der rechten Patientenraumwand sind bei SAVE 2 nicht vorhanden.

Dafür ist SAVE 2 - als einziger SAVE-RTW - für die Verwendung einer Absetzeinrichtung der zweiten Generation mit vier elektrisch angetriebenen Hubbeinen ausgestattet. 

Der verstellbare - aber nicht gefederte - Tragentisch im SAVE 2 kam von der Fa. Binz, darauf ist noch heute eine Krankenkraftwagentrage nach DIN 13025 gehaltert. Auf der Trage wurde eine voluminöse Vakuummatratze mit zusätzlichen Seitenflügeln befestigt, welche maßgeblichen Anteil an der sicheren Fixierung der Patienten während der Fahrt hatte.

Im Gegensatz zu heute, wo die Vakuummatratze nur bei Bedarf aufgelegt und ansonsten in einem dafür vorgesehenen Staufach aufbewahrt wird, diente die Vakuummatratze im SAVE zugleich als Tragenauflage und war mittels Schotklemmen mit der Trage verbunden.

SAVE in Bayern

Unmittelbar an der Entwicklung des SAVE-Konzeptes aus notfallmedizinischer Sicht beteiligt war auch der langjährige Landesarzt des BRK, Professor Dr. Peter Sefrin. Der Notarztdienst war Mitte der 1970er Jahren vielerorts erst im Aufbau - und Notfallrettung wurde häufig noch überwiegend als Unfallrettungsdienst verstanden.

In Bayern wurden die SAVE-Rettungswagen bei den BRK-Kreisverbänden Aschaffenburg und Würzburg sowie bei der Berufsfeuerwehr in München erprobt, im Nachgang erfolgte 1982 auch noch ein Einsatz als Baby-Notarztwagen bei den Nürnberger Johannitern.

Umfangreiche weitere Vorhaben, unter anderem angedacht war auch eine dreimonatige Heißland-Erprobung in Uganda, wurden zugunsten einer Weiterentwicklung des Konzepts und Nacherprobung von zwei verbesserten SAVE-RTW (SAVE 7 und SAVE 10) von Mai 1983 bis Januar 1984, aufgegeben. 

Das SAVE-Projekt wurde vom BMFT in verschiedenen Phasen noch bis zum Jahr 1986 weitergeführt, eine Übergabe der Serienfertigung an die etablierten RTW-Aufbauhersteller scheiterte jedoch aus verschiedenen Gründen. Auch ein Angebot für einen potenziellen Großauftrag über 200 SAVE für Saudi-Arabien 1984 sowie die Präsentation des SAVE-Konzeptes auf der Weltausstellung "Expo '85" in Tsukuba / Japan auf dem Stand der Bundesrepublik Deutschland kamen nicht mehr zustande.

Neben den hohen Beschaffungskosten trug auch der seinerzeit neuartige und ungewohnt gestaltete Auf- und Ausbau dazu bei, dass das SAVE-Konzept von Aufbauherstellern und Anwendern nicht angenommen wurde.

Die Bundeswehr übernahm aus dem Projekt mehrere SAVE-Aufbauten auf Mercedes-Basisfahrzeugen und brauchte drei davon - nach umfangreichem Umbau durch die Firma Miesen in Bonn -  noch bis Anfang der 1990er Jahre an den Bundeswehrkrankenhäusern in Koblenz, Gießen und Hamburg als Notarztwagen auf.  Zuvor lief SAVE 6 am BwZKrhs Koblenz bereits von April 1981 bis Februar 1984 als NAW in der Langzeiterprobung. Ein vierter SAVE für die Bundeswehr, vorgesehen für das Sanitätszentrum in Bonn, kam nicht mehr zur Ausführung. Dessen Umbau wurde vom Beschaffungsamt bei Miesen storniert und das Fahrzeug als Ersatzteilträger für die anderen drei SAVE-Notarztwagen verwendet.

SAVE 2 wurde 1987 der Stiftung Technisches Museum Berlin zur musealen Erhaltung in der dortigen Sammlung übergeben. Neben SAVE 2 auf Mercedes-Basis hat nur noch ein weiteres Fahrzeug, SAVE 7 auf VW LT-Trägerfahrzeug aus der Nacherprobungsphase, im Depot des Porsche-Museums überlebt.

Seiner Zeit weit voraus – aber ungewohnt

Während der Kofferaufbau eines Bayern-RTW ohne Türen und Klappen heute aus fünf mittels Aluminium-Profilen verbundenen Alu-Sandwich-Wänden besteht, so setzte sich der SAVE-Aufbau nur aus zwei Teilen, einer Ober- und einer Unterschale zusammen. Diese beiden großflächigen Baugruppen, hergestellt von der Fa. Fritzmeier im Bayer-Depotverfahren, wurden horizontal mittig zum RTW-Aufbau verbunden.

Im Inneren befanden sich keine üblichen Sitze für die Betreuer, sondern Stehstühle mit Beckengurt, welche über Schienen geführt wurden. Ein darauf angeschnallter Rettungssanitäter oder Notarzt konnte sich damit während der Fahrt am auf der Trage liegenden Notfallpatienten entlang bewegen. Die medizinische Ausstattung wurde größtenteils in entnehmbaren Modulkoffern untergebracht, welche geöffnet auf dem Geschränk abgelegt werden konnten und später im Verlauf zu Schubladen-Koffern weiter entwickelt wurden. Anfänglich bestand die Mobilausstattung nur aus diesen Modulkoffern, die so konzipiert waren, dass man in einer Hand bequem zwei Stück davon tragen konnte.

Erst im Verlauf der Erprobung ergänzte ein konventioneller Notfallkoffer die Ausrüstung.

Dafür gab es im Gasflaschen-Außenstaufach eine Sauerstoff-Umfüll-Armatur, mit der die kleine 1 l-Sauerstoff-Flasche der tragbaren Notfallausstattung bei Bedarf aus dem Bord-Vorrat nach dem Prinzip des Differenzdruck-Ausgleichs wieder aufgefüllt werden konnte. Einfach mal bitte die pensionierten Kollegen fragen, was die dazu erzählen können - aus heutiger Sicht oft schlicht haarsträubend.

Beatmungsgerät und EKG-Gerät wurden erst vor dem Kopfende der Trage angebracht. Eine Position, die später zunächst mit einem Kunstleder-Spucklatz vor Kontamination geschützt - und dann im Rahmen der Nacherprobung aus naheliegenden Gründen an einen anderen Platz im Patientenraum verlegt werden musste. Und: nicht alle SAVE waren mit einem EKG-Gerät ausgestattet. Dies war 1980 vielerorts für reine RTW noch unüblich.

Grundüberlegung war, mit dem SAVE-Rettungswagen neben einer verbesserten medizinischen Versorgung auch die Prähospitalzeit zu verkürzen, weshalb auch eine für damalige Zeit für Transporter-Fahrgestelle außergewöhnlich hohe Motorleistung von bis zu 140 PS (!) geplant war.

Derart hoch motorisierte Transporter-Fahrgestelle waren jedoch nicht lieferbar. Während die vier Erprobungs-SAVE auf VW LT 28 den serienmäßigen 2-Liter-Vergasermotor mit 75 PS behielten, wurden die acht Mercedes-SAVE ab Werk mit einem auf immerhin rund 106 PS leistungsgesteigerten Triebwerk aus dem PKW-Modell Mercedes 230 ausgestattet. Serie wären beim Daimler im 1977 nagelneuen 208 - aus heutiger Sicht - auch nur recht magere 85 Pferdestärken gewesen. Ende der 70er war man damit aber im leichten Transporter durchaus adäquat und spritzig motorisiert.

Nachdem die VW LT aber in Sachen Motorleistung gegenüber den Mercedes deutlich schlechter bewertet wurden, erhielt für die Nacherprobungsphase 1983 auch "SAVE 7" auf VW LT-Chassis eine Leistungssteigerung von Oettinger (Friedrichsdorf, Hessen) auf 105 PS.

Für den Kofferaufbau wurde 1977 von den Entwicklern damals eine gegenüber dem Basisfahrzeug doppelte Lebensdauer prognostiziert, weshalb der abnehmbare GFK-Aufbau nach Verschleiß oder auch bei Defekt des Trägerfahrzeugs einfach auf andere Fahrgestelle umsetzbar sein sollte. Die Vorstellung war weiter, den SAVE-Aufbau auch ohne Trägerfahrzeug einsetzen zu können, beispielsweise als Teil eines Mobil-Lazaretts in der Katastrophenhilfe. Ebenfalls für den Einsatz im Zivilschutz wurde später noch eine SAVE-Ausbauvariante für vier Krankentragen geschaffen.

Wegen der Trennung des Basisfahrzeugs vom RTW-Aufbau und dessen unabhängiger Federung wurde eine Wechselsprechanlage verbaut, zumal Porsche bei zwei SAVE-Kabinen gleich mal auch testweise auf Fenster zur Sichtverbindung zwischen Aufbau und Fahrerhaus verzichtete. Was übrigens nicht gut angekommen ist.

In den Mercedes-SAVE waren, mit Ausnahme von SAVE 4, Behr-Klimaanlagen zur Kühlung des Patientenraums eingebaut - was damals von der Fachwelt jedoch als „für unsere Breitengrade nicht notwendig“ bewertet wurde. Egal, ob Klimaanlage oder nur Lüftung  - die zugfreie Luftverteilung im Patientenraum erfolgte über verdeckte Auslassschlitze unten in den Lamellen der seitlichen Beleuchtungsverkleidungen.

Für den 1977 vorgestellten SAVE-Prototyp waren noch verschiedene andere Ausstattungen vorgesehen, so unter anderem umfangreiches Bergewerkzeug inklusive handbetätigter hydraulischer Rettungsschere plus Spreizer, Hitzeschutzkleidung sowie eine dreisitzige, mit Hilfe von Sauerstoff (!!) aufzublasende, klappbare Notsitzbank mit integrierter Zweittragen-Halterung im Patientenraum.

Letztlich scheiterten diese Features jedoch größtenteils am Gewicht. Für den SAVE-Rettungswagen sollte laut Lastenheft ein zulässiges Gesamtgewicht von 2800 kg eingehalten werden, geschuldet der damals geltenden 80 km/h-Begrenzung außerorts für Fahrzeuge über 2,8 t in der StVO. Erst in den 1990ern wurde diese Regelung dort auf die bis heute geltenden 3,5 t angehoben.

Bei Maximalbeladung und Belegung aller Sitz- und Liegeplätze waren die 2,8 t-SAVE-RTW, wenn auch meist noch gerade so im Toleranzbereich, überladen - weshalb für die beiden RTW der Nacherprobung 1983 deren zulässigen Gesamtgewichte auf 3200 kg (VW LT SAVE 7) und 3300 kg (MB SAVE 10) angehoben wurden. 

Auch das Erscheinungsbild des SAVE war insgesamt ungewohnt. Die Blaulichter in Dach und Aufbau integriert, eine perlweiß-verkehrsblau-normalrote Farbgebung, wobei das Rot nach der ersten Erprobungshälfte mit tagesleuchtroten Streifen überklebt, bzw. ergänzt wurde.

Diskretes Farbdesign, Blaulichtband und große SAVE-Beschriftung sorgten anfänglich neben Befürchtungen der Einsatzfahrer, nicht richtig als Einsatzfahrzeug erkannt zu werden, auch für Irritationen bei der Bevölkerung. So berichtete die Bonner Rundschau im Oktober 1979 vermutlich nicht ganz ernstgemeint, dass des Englischen nicht ganz mächtige Bankräuber wohl glauben könnten, einem Geldtransporter („SAFE“) vor sich zu haben.

Was blieb?

Zweifelsfrei die Erinnerung an ein höchst innovatives Entwicklungsprojekt, das aber seiner Zeit insgesamt viel zu weit voraus war. Zahlreiche Themen wie Kofferaufbau, Klimatisierung, aktive und passive Fahrzeugsicherheit und eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung im RTW-Aufbau wurden vom SAVE-Konzept mit beeinflusst – wenngleich erst Jahre oder zum Teil sogar Jahrzehnte später.

Wegweisend waren dabei insbesondere die von Porsche im Rahmen der SAVE-Entwicklung geleistete Pionierarbeit zum Insassen- und Unfallschutz bei Rettungsfahrzeugen. Die Aufbauten der SAVE-RTW wurden erstmalig auch Brand- und Aufprallversuchen unterzogen. Die Einbauten mussten dabei Verzögerungswerten von 10 g (g-Kraft, also dem 10-fachen der Erdbeschleunigung) Stand halten. Dieser Wert findet sich als Stabilitäts-Anforderung noch heute in der aktuellen europäischen Norm EN 1789:2020 für Krankenkraftwagen.

Natürlich wurde das Projekt wegen seiner Detailschwächen und der Erprobungsprojekten naturgemäß innewohnenden technischen Unvollkommenheit – Kritiker übersetzten SAVE damals gerne als „Skurrile Ansammlung Verschiedener Einzelteile“ sowie des sehr hohen finanziellen Gesamtaufwands - immerhin 16,5 Mio. DM zwischen 1975 und 1985 - und der zum Schluss fehlenden kurzfristigen Perspektive einer SAVE-Serienfertigung mangels Käuferinteresse zum Teil heftig gerügt.

Wenngleich es Stehstühle und fußbetätigte Lichtschalter bis heute nicht in den Rettungswagen-Standard geschafft haben: die Impulse, die Dr. Ulrich Bez, der erste SAVE-Projektleiter bei Porsche mit seinem Team - ohne Einbindung und zum Teil sogar gegen den Widerstand der damals etablierten Ambulanzfahrzeug-Hersteller - in diesem Themenfeld gesetzt hat, wirken bis heute nach.

Auch in jedem Bayern-RTW.

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